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Wie Software die industrielle Additive Fertigung verändert: Interview mit Lior Polak von Assembrix

2025-06-24

Assembrix, ein Softwareunternehmen mit Sitz in Israel, entwickelt cloudbasierte Lösungen zur Virtualisierung industrieller 3D-Druckprozesse. Die Plattform Virtual Manufacturing Space (VMS) ermöglicht es Unternehmen, additive Fertigungsaufträge zentral zu verwalten und gleichzeitig an verteilte Produktionsstandorte weltweit auszuliefern. Dabei werden alle Schritte – von der Datenvorbereitung bis zur Fertigungsüberwachung – in einer durchgängigen digitalen Umgebung abgebildet.

Die Software erlaubt das Hochladen von CAD-Daten in eine digitale Teilebibliothek, deren Optimierung für den Druck sowie die Zuweisung an Maschinen auf Basis von Kriterien wie Standort, Werkstoff oder Verfügbarkeit. Druckaufträge lassen sich so effizient auf Produktionsnetzwerke verteilen. VMS bietet zudem eine durchgängige Prozessüberwachung: Maschinenparameter wie Temperatur, Feuchtigkeit und Druckgeschwindigkeit werden in Echtzeit erfasst und mit vordefinierten Spezifikationen abgeglichen.

Ein Schwerpunkt liegt auf dem Schutz geistigen Eigentums. Assembrix setzt auf verschlüsselte Datenübertragung, kontrollierten Maschinenzugriff und Blockchain-basierte Protokollierung aller Vorgänge. So bleibt die Datenhoheit auch bei verteilter Fertigung gewahrt.

Partnerschaften mit Herstellern wie EOS, SLM Solutions oder Boeing ermöglichen die direkte Anbindung marktüblicher Metall- und Polymerdrucker. Die Software-as-a-Service-Lösung zielt darauf ab, die additive Fertigung skalierbar, sicher und nachvollziehbar in industrielle Lieferketten zu integrieren – ohne zusätzlichen Investitionsaufwand in Hardware oder IT-Infrastruktur.

Interview mit Lior Polak
In einem Interview mit 3Druck.com gibt Lior Polak, CEO und Mitgründer von Assembrix, Einblicke in die sich wandelnde Rolle von Software in der industriellen additiven Fertigung. Er spricht über aktuelle Herausforderungen, neue Entwicklungen und darüber, wie digitale Werkzeuge die Zukunft des 3D-Drucks mitgestalten – von sicherer, verteilter Produktion bis zur Integration von KI und Automatisierung.

Aus Ihrer Sicht: Welche Entwicklungen waren in den letzten zehn Jahren im Bereich der Software für die additive Fertigung besonders bedeutend – und wie haben sie die industrielle Nutzung des 3D-Drucks beeinflusst?

In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Software für die additive Fertigung (Additive Manufacturing, AM) von einfachen Prototyping-Werkzeugen zu umfassenden Plattformen entwickelt, die für industrielle Produktionsprozesse geeignet sind. Wichtige Entwicklungen sind:

Assembrix CEO Lior Polak
Integrierte Workflows: Frühe AM-Software erforderte separate Tools für Design, Simulation, Slicing und Maschinensteuerung, was zu Ineffizienzen führte. Moderne Plattformen bündeln diese Funktionen in einem System und vereinfachen dadurch den Ablauf.

Erweiterte Simulation und Optimierung: Neue Tools beinhalten Finite-Elemente-Analyse (FEA) und Topologieoptimierung, was komplexe und leichte Bauteile ermöglicht. Solche Funktionen fördern den Einsatz von AM in der Luftfahrt (z. B. 3D-gedruckte Brennstoffdüsen bei GE) und im Automobilbau (z. B. für individuelle Werkzeuge) – mit dem Ergebnis reduzierter Kosten und kürzerer Durchlaufzeiten.

Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen: KI-gestützte Anwendungen optimieren Druckparameter, erkennen Fehler und verbessern die Pfadplanung. Maschinelles Lernen erhöht die Oberflächenqualität und unterstützt mehrachsiges Drucken, wodurch die Zuverlässigkeit für Endbauteile in Bereichen wie Medizintechnik (z. B. Implantate) oder Automobilindustrie steigt.

Cloudbasierte Plattformen: Cloud-Lösungen ermöglichen Echtzeitüberwachung und verteilte Produktion, wodurch AM auch für kleinere Unternehmen zugänglich wird und die industrielle Verbreitung zunimmt.

Interoperabilität und Standards: Die Unterstützung von Dateiformaten wie AMF und 3MF sowie die Einhaltung von ASTM-Standards fördern die Kompatibilität zwischen Systemen. Das vereinfacht die Integration und begünstigt den Einsatz in verschiedenen Branchen.

Einfluss auf die industrielle Nutzung: Diese Entwicklungen haben AM als Produktionsverfahren etabliert. Sie ermöglichen die kosteneffiziente, qualitativ hochwertige Herstellung komplexer Bauteile und fördern den Einsatz in Luftfahrt, Gesundheitswesen und Automobilbau – im Einklang mit den Zielen der Industrie 4.0.

Welche typischen Herausforderungen begegnen Ihren Kunden im AM-Workflow – und wie kann Software helfen, diese zu lösen?

Beim Übergang zur Serienfertigung stellen sich in AM-Prozessen verschiedene Probleme, die durch Softwarelösungen adressiert werden:

Fragmentierte Workflows
Isolierte Tools für Design, Simulation und Druck führen zu Fehlern.
Lösung: Integrierte Plattformen automatisieren die Datenübertragung und reduzieren manuelle Schritte.

Komplexität bei Design for AM (DfAM)
Herkömmliche CAD-Software ist für AM-spezifische Strukturen wie Gittergeometrien ungeeignet.
Lösung: Neue Werkzeuge bieten generatives Design und Topologieoptimierung speziell für AM.

Qualität und Wiederholbarkeit
Abweichungen bei Schichtanhaftung oder Verzug beeinflussen die Bauteilqualität.
Lösung: KI-basierte Überwachungstools wie EOS EOSTATE sowie Simulationssoftware helfen, Probleme vorherzusagen und zu vermeiden.

Kompetenzdefizite
Fehlendes Know-how bremst die Einführung von AM.
Lösung: Benutzerfreundliche Software und Online-Schulungen senken die Einstiegshürde.

Nachbearbeitung
Stützstrukturentfernung und Oberflächenbearbeitung sind zeitaufwendig.
Lösung: Software optimiert Stützstrukturen, KI-Tools prognostizieren Finish-Parameter und beschleunigen den Prozess.

Diese Lösungen erhöhen die Effizienz, senken Kosten und verbessern die Qualität – zentrale Voraussetzungen für den industriellen Einsatz von AM.

Warum sind Datensicherheit und Schutz geistigen Eigentums in der additiven Fertigung wichtig – und wie kann Technologie in verteilten Produktionsumgebungen dabei unterstützen?

AM basiert auf digitalen Konstruktionsdaten, die anfällig für Diebstahl, unbefugte Vervielfältigung oder Sabotage sind – insbesondere bei verteilter Fertigung. Der Schutz geistigen Eigentums ist in Branchen wie Luftfahrt und Medizintechnik entscheidend, da die Designs hochsensibel sind. Laut einer Umfrage von ASTM und der Auburn University aus dem Jahr 2021 verfügen die meisten AM-Nutzer über keine belastbaren Cybersecurity-Strategien, was Risiken wie Produktpiraterie, Wettbewerbsvorteilsverlust oder Sicherheitsprobleme erhöht.

Technologische Unterstützung in verteilter Produktion:

Assembrix-Funktionen: Die cloudbasierte Plattform von Assembrix ermöglicht sichere, kontrollierte AM-Workflows. Mittels Verschlüsselung und Digital Rights Management (DRM) wird sichergestellt, dass nur autorisierte Maschinen und Benutzer Zugriff auf Design-Dateien haben. In einem Anwendungsfall wurden Druckjobs sicher über Kontinente hinweg an EOS-Maschinen übertragen, ohne unbefugten Zugriff zuzulassen. Die Integration von Blockchain-Technologie und Echtzeitüberwachung sorgt für Nachverfolgbarkeit und Prüfbarkeit über das gesamte Netzwerk hinweg.

Blockchain-Technologie: Unveränderliche Protokolle dokumentieren Dateizugriffe und ermöglichen Authentizitätsprüfungen.

Verschlüsselung und gesicherter Transfer: Moderne Verschlüsselungsverfahren sichern die Datenübertragung. Assembrix setzt auf sichere Protokolle zur Wahrung der Datenintegrität vom Design bis zum fertigen Bauteil.

Standardisierte Rahmenwerke: Neue Standards von NIST und ISO adressieren spezifische Anforderungen an die Cybersecurity in AM. Assembrix implementiert Funktionen wie sichere Datenkennzeichnung und Authentifizierung, um Vertrauen in verteilten Produktionsprozessen zu schaffen.

Zero-Trust-Architektur: Die Plattform verfolgt das Zero-Trust-Prinzip, bei dem jeder Zugriff überprüft wird – ein Schutzmechanismus gegen Angriffe auf cloudbasierte Workflows.

Assembrix kombiniert diese Maßnahmen zu einer Lösung, die sichere, dezentrale Fertigung ermöglicht – und dabei das geistige Eigentum bewahrt.

Welche wichtigen Trends sehen Sie für die Zukunft der additiven Fertigung – insbesondere im Hinblick auf Cybersecurity, verteilte Fertigung und den zunehmenden Einsatz von KI entlang des AM-Workflows?

Die additive Fertigung der Zukunft wird maßgeblich durch Cybersecurity, dezentrale Produktionsmodelle und den Einsatz von KI geprägt sein. Zu den zentralen Entwicklungen zählen:

-CYBERSECURITY-VERBESSERUNGEN:

Blockchain-Erweiterung: Die Blockchain-Technologie wird zur Standardmethode für Schutz und Rückverfolgbarkeit von IP. Assembrix nutzt Blockchain zur Sicherung und Protokollierung von Workflows – besonders relevant für Branchen wie Verteidigung und Luftfahrt.

AM-spezifische Standards: ASTM und ISO erarbeiten gezielte Cybersecurity-Leitlinien, die Daten- und Lieferkettensicherheit betreffen. Die Einhaltung dieser Standards stärkt die Rolle von Assembrix im sicheren AM-Umfeld.

KI-basierte Angriffserkennung: Künstliche Intelligenz wird zur Erkennung unautorisierter Zugriffe und Dateimanipulationen beitragen – eine Ergänzung zu den bestehenden Echtzeit-Sicherheitsfunktionen von Assembrix.

-VERTEILTE FERTIGUNG:

Digitale Inventare: CAD-Modelle werden zur bedarfsgesteuerten Fertigung gespeichert – Lagerhaltungskosten lassen sich so reduzieren, wie bereits in der Öl- und Gasindustrie erprobt.

Lokalisierte Produktion: Große AM-Anlagen (z. B. für Bauwesen) erlauben regionale Fertigung und verkürzen Lieferketten. Die VMS-Plattform von Assembrix steuert solche Prozesse sicher.

Standardisierte Ökosysteme: Kooperationen zwischen OEMs und Softwareanbietern sorgen für reproduzierbare Qualität – Assembrix ermöglicht dabei den gesicherten Datenaustausch.

-WACHSENDE ROLLE DER KI:

Prozessoptimierung: KI wird Druckparameter intelligent anpassen, um Fehler zu minimieren. Erste Integrationen in Assembrix VMS laufen bereits.

Prädiktive Wartung: KI erkennt frühzeitig Anzeichen von Maschinenversagen und reduziert Ausfallzeiten.

Generatives Design: KI-basierte Tools entwickeln optimierte Bauteile, während Assembrix die Dateisicherheit gewährleistet.

Qualitätssicherung: KI-gestützte Inline-Überwachung wird die Einhaltung von Spezifikationen in Echtzeit sicherstellen – als Ergänzung zur bestehenden Prozesskontrolle.

-WEITERE TRENDS:

Multimaterialdruck: Die Kombination von Metallen und Polymeren eröffnet neue Anwendungsfelder.

Nachhaltigkeit: Wiederverwertbare Materialien und energieeffiziente Prozesse werden ökologischen Zielen gerecht.

Bioprinting und 4D-Druck: Neue Impulse für Medizin und intelligente Materialien.

Die Sicherheitslösungen von Assembrix schaffen Vertrauen in vernetzte Produktionsumgebungen. Gleichzeitig steigern KI und Automatisierung die Effizienz. Plattformen wie VMS unterstützen die Umsetzung verteilter Fertigungskonzepte – ein Baustein für widerstandsfähige Lieferketten im digitalen Zeitalter.

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